„Votum für stabile Schulstruktur“Schulentwicklung (bleibt) sich selbst überlassen
Ein Votum für eine stabile Schulstruktur, das war vorhersehbar und der Zwischenbericht dieses Gutachtens hätte auch vor einem Jahr veröffentlicht werden können. Sollte es nur um eine Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die verschiedenen Schulstandorte der Stadt Oldenburg gehen, dann lässt sich sicher so etwas wie Stabilität feststellen bzw. erzeugen. Dazu braucht es aber keinen Schulentwicklungsplan und schon gar keinen Experten. Es reicht eine Beobachtung des Trends der letzten Jahre und eine entsprechende Hochrechnung. Sollte ein Schulentwicklungsplan jedoch auch den Anspruch haben, die Schullandschaft unter pädagogischen Gesichtspunkten zukunftsfähig zu gestalten, dann allerdings sind ganz andere Befunde zu berücksichtigen. Herr Dr. Habeck bedauerte vor Monaten in einem Gespräch den Wegfall der Hauptschulen und begrüßte die Existenz der Oberschulen, die die Aufgabe dieser Schulform nun übernehmen können. Welche Idee von Oberschule wird dann z.B. in einem planvollen Entwicklungsprozess verfolgt?
Nach allem, was bisher bekannt ist, haben die Oberschulen zurzeit die Hauptlast der Herausforderungen an das Schulsystem zu tragen: Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf und Integration von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung. Das sind erhebliche Veränderungen im Anforderungskatalog für eine Schule. Wenn man außerdem bedenkt, dass – davon unabhängig – sich die Zusammensetzung der Schülerschaft allein durch den „freien Elternwillen“ an allen Schulformen zunehmend verändert, dann verdichtet sich die Problemlage an einer Schulform besonders. Verräterisch ist in diesem Zusammenhang die Aussage, dass durch eine mögliche vierte IGS in Oldenburg dieser Schulform „der Verlust des nötigen Anteils starker Schüler droht“. Der Rückschluss liegt auf der Hand. Das ist Selektion und hat mit pädagogischer Verantwortung nichts mehr zu tun, ganz abgesehen von der postulierten Inklusions- und Integrationsaufgabe für alle Schulen. Ein Hoch auf die Lehrkräfte, die diese Herausforderungen in viel zu großen Lerngruppen, mit viel zu wenig Fachkräften und nicht adäquaten Erlassvorgaben zu bewältigen versuchen. Ihre Belastungsgrenzen sind längst erreicht und werden auch formuliert – aber offensichtlich nicht gehört. Deutlicher gefragt: Wie sollen sich unter diesen Vorgaben die Oberschulen „weiter positiv entwickeln“? Diese Annahme offenbart Naivität oder Zynismus. Die jetzt verpassten Chancen produzieren gesellschaftlichen Zündstoff.
Auch wenn die Struktur einer Bildungslandschaft in erster Linie in der Verantwortung der Länder liegt, so haben die Städte und Gemeinden noch immer die Möglichkeit, die Angebote „vor Ort“ zu gestalten. Schulentwicklung ist mehr als Schülerverteilung. Wenn sie geplant werden soll, darf sie nicht sich selbst überlassen bleiben.Offensichtlich hat Herr Dr. Habeck den Aufruf der Bildungsinitiative „Die Zeit drängt“ (http://bildungsrat-fuer-bildungsgerechtigkeit.de) nicht zur Kenntnis genommen. Sie wurde von führenden Erziehungswissenschaftlern – auch des IFS (Institut für Schulentwicklungsforschung in Dortmund) – und dem Oberbürgermeister dieser Stadt unterschrieben. Auch wir meinen: Die Zeit drängt, sich einer Schulform in dieser Stadt in besonderem Maße zuzuwenden.
(für die GEW-Arbeitsgruppe Schulentwicklung Oldenburg-Stadt: Heinz Bührmann)